Montag, 13. April 2015

Tricks mit Zahlen – Vorsicht bei Mittelwerten

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Hektor ist Leiter zweier Produktionsstandorte, in denen Blumentöpfe hergestellt werden. Die produzierten Mengen sind konstant und es läuft aus seiner Sicht ganz gut. Sein Boss ist allerdings ganz anderer Meinung und verlangt Steigerungen im Vergleich zum Vorjahr. Was kann Hektor nun tun, um den Boss zufrieden zu stellen? Mehr Arbeiter einstellen? Modernere Maschinen anschaffen? Liebe Leser, was würdet ihr an Hektors Stelle machen?

Hektor bedient sich eines Tricks. Durch „interne Umstrukturierungen“ kann er bald beeindruckende Zahlen vorweisen. Ein Arbeiter wird einfach von Standort 2 zu Standort 1 geschickt und schon wurde die Produktionsmenge pro Kopf an beiden Standorten erhöht! Es winkt bereits ein schöner Bonus für Hektor, obwohl die Gesamtproduktionsmenge exakt dieselbe geblieben ist. Wie geht das?

Dieses Beispiel wird „Will-Rogers-Phänomen“ oder auch „Stage Migration“ genannt. Dabei tritt der Effekt auf, dass durch geschickte Umschichtung innerhalb zweier Gruppen die Mittelwerte beider Gruppen steigen oder sinken können.

Hier Hektors Beispiel im Detail:
Am Standort 1 und am Standort 2 arbeiten je 3 Kakteen. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen  sind die Kakteen unterschiedlich produktiv. Am Standort 1 stellt Kaktus A 1 Blumentopf pro Stunde her, Kaktus B stellt 2 und Kaktus C 3 Blumentöpfe pro Stunde her. Am Standort 2 stellen die Kakteen D, E und F 4, 5 und 6 Blumentöpfe pro Stunde her.

Am Standort 1 werden somit (1 + 2 + 3) / 3 = 2 Blumentöpfe pro Kopf hergestellt und
am Standort 2 werden (4 + 5 + 6) / 3 = 5 Blumentöpfe pro Kopf hergestellt.

Hektor schickt nun Kaktus D vom Standort 2 zum Standort 1 und die Werte ändern sich entsprechend:

Am Standort 1 werden nun (1 + 2 + 3 + 4) / 4 = 2,5 Blumentöpfe pro Kopf (+25 %) hergestellt und
am Standort 2 werden nun (5 + 6) / 2 = 5,5 Blumentöpfe pro Kopf (+10 %) hergestellt.

Die Gesamtmenge an Blumentöpfen der beiden Standorte ist exakt dieselbe geblieben, aber die Mittelwerte haben sich an beiden Standorten erhöht.

Das Will-Rogers-Phänomen kann zu unerwarteten Ergebnissen führen bzw. auch absichtlich zur Täuschung verwendet werden. Das Ganze funktioniert natürlich auch in die andere Richtung, d.h. beide Mittelwerte können bei entsprechender Umschichtung auch verringert werden (um z.B. an beiden Standorten die Ausschussrate o.ä. zu verringern). Viele weitere Beispiele (z.B. Auswirkungen in der Medizin) und andere Infos zum Thema findet ihr in den untenstehenden Links/Büchern.

Seid also achtsam, wenn euch Durchschnitts- oder Mittelwerte präsentiert werden.

Infos zum Thema